„Widerstand ist zwecklos!?“
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Die Tisa von der Schulenburg-Stiftung wurde im Jahr 1993 mit dem Sinn und Zweck gegründet, das künstlerische Lebenswerk der Ordensfrau Tisa von der Schulenburg zu bewahren und ihm ein Andenken zu schaffen.
Seit ihrer Gründung setzt die Stiftung dieses Bestreben mit einem dreijährig vergebenen Förderpreis um, der sich gezielt an Nachwuchs-Künstler:innen richtet. Im Fokus stehen dabei Werke der Malerei, Bildhauerei und Grafik, die sich mit den Veränderungen unserer Gesellschaft, vornehmlich in der Arbeits- und Sozialwelt oder insbesondere der Situation der Bergleute und Industriearbeiter befassen.
Der Tisa-Preis erinnert an das Leben und Wirken von Tisa von der Schulenburg. Sie wurde 1903 in Tressow geboren und starb 2001 in Dorsten, wo sie seit 1950 als Schwester Paula im Ursulinenkloster lebte und arbeitete. Er soll den Geist von Tisa von der Schulenburg weitertragen. Er ist geprägt von einem tiefen Verständnis für die Nöte der Menschen in der Welt, die Verhältnisse der Arbeitswelt und zugleich von starkem Gottvertrauen.
Dieser Geist verbindet ein Bewusstsein für die eigene Herkunft mit großer Offenheit und der Aufforderung für die Sorge und den Zusammenhalt. Er ist zugleich geprägt von einem Gefühl für die Schönheit unserer Welt und von Zuversicht in die Gestaltungskraft der Menschen unter der Maßgabe der Humanität.
Es war Tisas Wunsch, ihre Stiftung vor allem der Förderung junger Künstlerinnen und Künstler zu widmen. Diesem Wunsch wurde in diesem Jahr 2023 besonders entsprochen, weil der Tisa-Preis erstmals mit 10.000 Euro dotiert werden konnte. Künstlerinnen und Künstler ab dem Geburtsjahrgang 1983 konnten ihre Portfolios einreichen. 430 Künstlerinnen und Künstler aus dem gesamten Bundesgebiet und darüber hinaus haben sich um den 9. Tisa-Preis beworben. Der Preis 2023 wurde für Künstler und Künstlerinnen, die in Deutschland leben und arbeiten oder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, ausgeschrieben. Als künstlerische Medien waren Malerei, Bildhauerei, Grafik und Zeichnung zugelassen.
Die vom Juryvorsitzenden, künstlerischen Berater der Tisa-Stiftung und Kurator Prof. Dr. Ferdinand Ullrich zusammengestellte Jury war überrascht über die Vielzahl der Wettbewerbseinreichungen. Sie lobte besonders die hohe Qualität und Vielfalt der Positionen. Die Jury tagte am 7. November und 11. Dezember 2023. Nach dem ersten Jury-Tag verblieben noch 21, nach einer weiteren Runde noch vier Positionen im Wettbewerb. Schließlich wurde erneut eine Preisträgerin bestimmt: Katharina Reich.
Katharina Reich wurde 1987 in Tjumen, Westsibirien geboren und siedelte 1996 nach Deutschland um. Sie studierte von 2012 bis 2016 bildende Kunst an der Kunsthochschule Kassel bei Prof. Norbert Rademacher, der sie zur Meisterschülerin ernannte. Sie lebt und arbeitet in Berlin.
Nach Auffassung der Jury „liegt die besondere künstlerische Leistung der Preisträgerin in ihrem kritischen und zeitgleich humanen Ansatz, der sich zudem in einer künstlerischen Form von großer Bandbreite äußert und in vielfältigen künstlerischen Medien verdichtet.“ Ihre Werke basieren auf verschiedenen Materialsammlungen und Werken, die sie zusammengetragen oder von anderen übernommen hat.
Von Februar bis April 2024 stellt Katharina Reich ihr „Depot – 2024“ in den Ausstellungsräumlichkeiten der Tisa von der Schulenburg-Stiftung aus. Die Ausstellung ist ab dem 18. Februar 2024 um 14.00 Uhr öffentlich.
Lesen Sie mehr über die aktuelle Preisträgerin Katharina Reich in unserem Newsbeitrag.
„Der Tisa-Preis soll künstlerische Positionen fördern, die sich dem Geist der Humanität und der Menschenrechte, sowie der Freiheit der Kunst verpflichtet fühlen. Offenheit und Toleranz sind auch die Grundlage des Wirkens und des Werks von Tisa von der Schulenburg.
Hier gilt es eine Brücke zur zeitgenössischen Kunst zu bauen, damit diese Ideen lebendig bleiben und über ihr Werk hinaus in die Gegenwart und in die Zukunft getragen werden. Sowohl inhaltliche wie auch formale Vielfalt gilt es dabei zu fördern, wie auch den neuen, ästhetischen Sichtweisen auf die Welt und ihre Probleme Raum zu geben. Die Kunst ist nach wie vor der exemplarische Ort für die Demonstration der menschlichen Gestaltungskraft und ihre humane Wirksamkeit – das Ästhetische ist zugleich das Soziale.
Die Preisträgerin Katharina Reich erfüllt diesen Anspruch auf eine sehr eigene und originelle Weise. Dabei nutzt sie die Möglichkeiten der Bildhauerei auf einem zeitgenössischen Niveau. Ihre Aktualität trägt den Geist von Tisa in die Gegenwart.“
„Unsere Welt scheint aus verschachtelten Systemen und Archiven zu bestehen. Eine Aufgabe der Kunst ist es, diese Systeme aufzudecken, zu manipulieren oder ins Absurde zu führen. In Fünfundfünfzig versuche ich zu analysieren, was aus der Methodik des künstlerischen Arbeitens wird, sobald sie auf sich selber angewendet wird; wenn man die Beobachtung beobachtet, die Abstraktion abstrahiert und die Archive archiviert – und ob man mit dieser Analyse irgendwann an ein Ende stößt.
Dabei breche ich vorhandene Systeme auf und schaffe daraus neue Strukturen – jenseits von simpler Reproduktion, sondern Konstruktion durch Abstraktion.
Das Ergebnis ist der Blick in ein Archiv der künstlerischen Identität und meiner Biografie. Ein Aufbrechen der eigenen Methodik, die stark geprägt ist von der Frage nach Fokussierung, Abstraktion und Materialität.“
Katharina Reich wurde 1987 in Tjumen, Westsibirien geboren und siedelte 1996 nach Deutschland um. Sie studierte von 2012 bis 2016 bildende Kunst an der Kunsthochschule Kassel bei Prof. Norbert Rademacher, der sie zur Meisterschülerin ernannte. Sie lebt und arbeitet in Berlin.
139 bundesdeutsche Künstler:innen bewarben sich um den Tisa-Preis 2020. Die Jury entschied sich einstimmig für die in Bremen lebende Künstlerin Claudia Piepenbrock. Ihre skulpturalen Arbeiten haben Titel und nutzen Elemente, die an (Schwer-) Industrie erinnern.
Die Arbeiten von Johanna Tiedtke können nicht mit flüchtiger Betrachtung erfasst werden. Sehen bedeutet hier ein genaues Lesen und Reflektieren. Nicht nur das Abbild, auch der Schaffensprozess mit allen intellektuellen und technischen Überlegungen und Arbeitsgängen ist erkenn- und erfahrbar.
In 2015, nur zwei Wochen vor der endgültigen Schließung der Zeche Auguste Victoria und damit ihrer Versetzung in den Zustand eines ungewissen Schlafs, unternahm die Künstlerin, Antonia Low, eine Serie von Abformungen des Zechenbodens – auf Schacht 4, in 886 Meter Tiefe.
Die architektonische Installation „Sr Paula“ im vergessenen Kartoffelkeller des Ursulinenklosters lädt ein zu einem künstlerischen Spiel der Wahrheitssuche in Religion und Philosophie. Sich diagonal gegenüberstehend, kommunizieren zwei Teilinstallationen miteinander.
Bei Karin Felbermayr sind alle Antworten nur Fragen. In ihrer Arbeit ist sie eine Exibitionistin des Ungesagten, und wer genau hinschaut, erkennt: in ihren Verhüllungen, ihren „masquerades“, sind wir alle nichts als unbarmherzig nackt, Stereotypen eines uralten Themas.
Eine hohe Qualität und eine sensible Menschenstudie zeichnen den Beitrag in 2004 von Birgit Brenner aus. In ihren Materialbildern und Rauminstallationen mit Schrift, Architektur und symbolhaften, Merksätzen, geht sie der humanen Existenz in einer inhumanen Welt nach.
Mit Dag Seemann aus Düsseldorf entschied sich die Jury für einen Künstler, der mit einer ebenso schlichten wie dichten Bildmetapher spricht. Eine Arbeitslampe, ein Schutzhelm, eine Lore. Der Ansatz ist einfach, knapp und prägnant – aber eben auch hintersinnig und doppelgesichtig.
Rüdiger Kramer zeichnet und das ausschließlich. Wie er jede Heftigkeit einer expressionistischen Aussage vermeidet, tritt auch die subjektive Handschriftlichkeit des Zeichners zurück zugunsten einer Vorbereitung des Auftauchens eines Sachverhaltes.
„Man kann überall Weltbürger sein, wenn man nur lernt, sich seiner Zeit zu öffnen.“
Aktuelle Meldungen zu Ausstellungen, Veranstaltungen und über die Initiative der Tisa von der Schulenburg-Stiftung.