Tisa-Preis 2010
Joanna Schulte

 

Seit 2002 verfolge ich die konsequente und sich erfreulich entwickelnde künstlerische Arbeit Joanna Schultes und erkenne, dass ihre Werke an formaler Kraft und inhaltlicher Dichte stetig gewonnen haben. Joanna Schulte macht den Alltag mit seiner sterilen und vergangenheitsbezogenen Tristesse zur Fundstätte ihrer künstlerischen Themen.

 

Indem sie kleine Besonderheiten aufspürt und sichtbar macht, sinnlich aufwertet und ästhetisch präzisiert, weist sie nach, dass auch an diesen Stellen Zukunft und Leben zu finden sind. Sie verwandelt das im Alltag gefundene „objet trouvé“ in ein eigenständiges, Neues und gibt diesem den Anspruch auf Individualität und Ausdrucksvermögen.

 

Text: Dr. Uwe Rüth, Skulpturenmuseum Glaskasten Marl

Tisa-Preis 2010

05. Preisträgerin

 

Joanna Schulte

1969 geboren in Osnabrück

 

1995 – 2001 Studium Bildende Kunst FH Hannover

 

2001 Meisterschülerin bei Prof. Ulrich Eller

 

2002 Vierter Internationaler Kunstpreis, Kunstverein Hürth

 

2004 Lichtkunstpreis Lüdenscheid

 

2006 – 2008 Lehrauftrag FH Hannover, Fachbereich Bildende Kunst

 

2008 – Stipendium, Künstlerhaus Bremen

 

2008 Fünfter Marler Video- Installationspreis

 

2010 Kunstpreis, Tisa von der Schulenburg-Stiftung

 

2011 Aufenthaltsstipendium Künstlerhäuser Worpswede

 

2011 Jahresstipendium des Landes Niedersachsen

 

2012 Aufenthaltsstipendium Künstlergut Prösitz

 

2012  Aufenthaltsstipendium des Landes Brandenburg, Schloss Wiepersdorf

 

2013  Dritter Internationaler Bernsteinkunstpreis, Bernsteinmuseum Ribnitz-Damgarten

 

2013 KWW Stipendium der Stiftung Künstlerdorf Schöppingen

 

2017 – 2023 Atelierförderung der Stadt Hannover und Stiftung Sparda Bank Hannover

 

2019 Aufenthaltsstipendium Global Forest, St. Georgen im Schwarzwald

 

Seit 2019 Lehrauftrag Hochschule für Künste im Sozialen Ottersberg, Fachbereich Bildende Kunst

 

2021 Neustart Kultur, Stiftung Kulturwerk der VG Bildkunst

 

2022 Aufenthaltsstipendium Kunstverein Röderhof, Land Sachsen-Anhalt

 

2022 Neustart Kultur, Stiftung Kunstfonds, Bonn

 

2023 Puls, Artists in Residence Programm, Künstlergut Prösitz

 

 

 

Jury 2010

 

Dr. Sabine Maria Schmidt, Folkwang-Museum Essen

 

Marion Taube, freiberufliche Kunsthistorikerin

 

Dr. Uwe Rüth, Skulpturenmuseum Glaskasten Marl

 

Jörg Loskill, Kulturredakteur WAZ Essen

 

Dr. Rüdiger Fenne, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Tisa-Stiftung

Ein künstlerisches Spiel

der Wahrheitssuche

 

Die architektonische Installation „Sr Paula“ im vergessenen Kartoffelkeller des Ursulinenklosters lädt ein zu einem künstlerischen Spiel der Wahrheitssuche in Religion und Philosophie. Sich diagonal gegenüberstehend, kommunizieren zwei Teilinstallationen miteinander. Die eine eine textuell, ein goldgesticktes poetisches Textfragment im dunklen Rahmen – die andere klingend, eine musikalische Komposition, die das Ave Maria paraphrasiert und aus zwei Möbelstücken durch den Raum zu schweben scheint.

Installation „Sr Paula“ ©2010/11, Ursulinenkloster Dorsten

Die Wahl dieser Möbelstücke verrät die künstlerische Methodik von Joanna Schulte,

die den Betrachter in Widersprüche verwickeln und zum diskursiven Denken zwingen soll.

 

Historismus und Futurismus vertragen sich eigentlich nicht, hier jedoch hervorragend, denn sie funktionieren gemeinsam über ihre metaphorische Lesbarkeit innerhalb des religiösen Themenkreises, der sie inhaltlich bestimmt. Garderobe und Kommode neben dem Eingang wirken als Metapher des Aufbruchs, als Symbole des Kommens und Gehens in dieser Welt. Man gedenkt der Schwester, die ihre weltliche Tracht ablegt, ihr Leben dem Dienst Gottes widmet und eine Braut Christi wird. Aber Vorsicht, auf der Axiale der Zeit ist nicht angelegt, in welche Richtung ein möglicher Aufbruch stattfindet in die Vergangenheit oder Zukunft, zum Weltlichen oder Geistigen.

 

Den Begriffen wohnen Assoziationen inne, die in Bezug zueinander gesetzt werden. Die Metapher überträgt Assoziationen durch Analogie, die Ironie tauscht Assoziationen aus durch Kontrarität. Joanna Schulte inszeniert mit „Sr Paula“ ein meisterhaftes rhetorisches Stück. Bis ins Detail werden wir in unserer Vorstellungswelt hin- und her geworfen, im künstlerischen Spiel erhoben und ernüchtert, beseelt und erheitert.

 

Text: Heike Schötker