Zeit Wandel Zukunft – Cyanotypie-Workshops mit Johanna Tiedtke

Der pyrolytische Prozess, der Pflanzen
über Jahrmillionen zu Kohle werden lässt

Neben ihrer Aufgabe, das Werk Tisa von der Schulenburgs historisch zu archivieren und zu konservieren, eröffnet die Tisa von der Schulenburg-Stiftung mit dem Tisa-Archiv einen außerschulischen Lernort, der jungen Kunstinteressierten Einblick in das Schaffen und die Techniken freischaffender Künstlerinnen und Künstler vermittelt. Den Auftakt im Jahr 2024 machte Johanna Tiedtke, 7. Preisträgerin des Tisa von der Schulenburg-Preises.

In zwei Workshop-Tagen am 23. Januar und 01. Februar 2024 führte sie 46 Schülerinnen und Schüler der St. Ursula-Realschule Dorsten in die Funktionsweise der Cyanotypie ein. Es besteht eine Verwandtschaft zwischen dieser Technik und der künstlerischen Arbeit von Johanna Tiedtke in Bezug auf die Wirkungen von natürlichem Licht.

Zeit

Aus Pflanzen wird Kohle

Johanna Tiedtke fasziniert die Entstehung der Kohle aus Pflanzen über Millionen von Jahren und die Zeit, die dadurch in der Kohle komprimiert ist.

Wandel

Aus Kohle entstehen Farben

2018 besuchte Johanna Tiedtke die Ausstellung Das Zeitalter der Kohle im Ruhrmuseum auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein. Die Sammlung von Pigmenten aus der Farbstoffsammlung der Hochschule Niederrhein hat sie begeistert. Die Farbstoffe wurden gegen Mitte des 19. Jahrhunderts synthetisch auf der Basis von Steinkohlenteer hergestellt.

Zukunft

Aus Kohle werden Pflanzen

Die Bodenbeschaffenheit auf ehemaligen Zechen- und Kokereiarealen ist einzigartig. Dort wachsen vermehrt nicht heimische, sowie in Nordrhein-Westfalen seltene oder bedrohte Pflanzen.

Cyanotypie

Die Technik der Cyanotypie ist ein auf Eisen basierendes, fotografisches Edeldruckverfahren, das 1842 vom englischen Astronomen und Naturwissenschaftler Sir John Herschel entwickelt wurde. Bekannt wurde das Verfahren allerdings erst durch die britische Naturwissenschaftlerin Anna Atkins, die Farne und andere Pflanzen mit diesem Verfahren dokumentierte.

Papier wird mit einer Lösung aus Kaliumhexacyanidoferrat(III) (Rotes Blutlaugensalz) und grünem Ammoniumeisen(III)citrat beschichtet. Die daraus entstehende, lichtempfindliche Mischung bildet unter UV-Einwirkung den wasserunlöslichen Farbstoff Preußisch Blau. Auf dem Papier werden schattenbildende Objekte platziert und mit ultraviolettem Licht, zum Beispiel Sonnenlicht, oder dem Licht aus einer UV-Lampe, belichtet. Die abgedeckten Bereiche werden nicht belichtet und bleiben wasserlöslich. Nach der Belichtung werden die Papiere ausgewaschen und geben an den unbelichteten Stellen den Papierton frei. Die belichteten Teile färben sich in verschiedenen Blautönen.

In den Workshops stellt Johanna Tiedtke zusätzlich die Entstehung der Kohle aus Pflanzen, die Entstehung von Pigmenten aus Kohle und die Entstehung der Pflanzenvielfalt auf den Geländen ehemaliger Zechen vor.

Fotos: ©Volker Wiciok, Cyantopie ©Johanna Tiedtke

Johanna Tiedtkes mitreißende Art motivierte die Schülerinnen und Schüler sofort. An beiden Tagen überraschte der Winter mit Sonnenschein und blauem Himmel. So konnten neben gepressten Pflanzen von dem Gelände Zeche Zollverein auch Pflanzen auf dem Gelände der Tisa Stiftung entdeckt und verwendet werden. Natürliches UV-Licht ist für Cyanotypien am besten geeignet. Doch auch in den Räumen des Tisa-Archivs konnten die Schülerinnen und Schüler konzentriert und technisch einwandfrei arbeiten. Dazu hatte Johanna Tiedtke spezielle UV-Lampen mitgebracht, die eine Belichtung auch ohne Sonnenlicht ermöglichen. Die Schülerinnen und Schüler waren von der Vielfalt der Ergebnisse beider Workshop-Tage sichtlich überrascht. Sie fertigten jeweils zwischen drei und sechs Cyanotypien an, konnten die Technik auf verschiedenen Papieren testen und künstlerisch experimentieren.

Johanna Tiedtke leitet unter anderem im Museum Reinickendorf und in der Gemäldegalerie Berlin im Bereich der kulturellen Bildung regelmäßig Workshops. Die Workshops im Tisa-Archiv sind Teil eines Konzeptes, in dem kulturelle Bildung junger Menschen und eine bei der RAG-Stiftung permanent installierte Glasarbeit zusammen gehören. Den Kerngedanken des Konzepts ZEIT WANDEL ZUKUNFT macht sie in ihren Workshops mit kleineren Gruppen anhand von theoretischen und praktischen Beispielen erlebbar.

Wir bedanken uns für die freundliche Unterstützung und Förderung des Tisa-Archivs als außerschulischer Lernort bei der RAG-Stiftung und der St. Ursula-Realschule Dorsten für die freundliche Kooperation. Auch wir sind gespannt auf die Ausstellung der Cyanotypien der Schüler:innen, welche im Rahmen des „325 Jahre St.Ursula“-Jubiläums in der St. Ursula-Realschule zu sehen sein werden.

Fotos „ZEIT WANDEL ZUKUNFT“: ©Johanna Tiedtke