Werk

 

Tisa von der Schulenburgs Zeichnungen sind Waffe und Angriff zugleich: Sie zeichnet Warnrufe aus ihrem Wissen um Ungerechtigkeit, Not, Krieg und Tod. Sie ruft zu Wachsamkeit und Standhaftigkeit auf. Die Blätter sind unbequem, hart und erschreckend präzise – auf Kosten der Schönheit und Harmonie, die als die traditionellen Begleiter der Kunst hier außen vor bleiben. Die Mehrzahl der Zeichnungen sind reine Linearzeichnungen ohne Schattierung und Untermalung, eher Skizzen gleich.

Bergleute

Glück auf, Schwester Paula.
Bei den streikenden Bergarbeitern in England 1936/37 findet Tisa von der Schulenburg zu ihrem Thema und ihrem Stil: die Anteilnahme am harten Schicksal von Menschen. Die Kumpel des Ruhrbergbaus nennt sie “ihre dunklen Brüder”.

Holocaust

„Ich kann nicht schweigen.“
Tisa von der Schulenburg setzte sich explizit mit den NS-Gräueltaten, insbesondere in den Konzentrationslagern auseinander. Ihre Werke sind Verbildlichung dessen, was „Menschen dem Menschen antun können“.

Flucht

„So leicht wirft man seine Heimat nicht hinter sich.“
Im Nachkriegschaos hielt Tisa fest, “was ihr durch Kopf und Herz in die Hand fuhr, mit dem Tuschpinsel aus der Hand aufs Papier, Zufallspapier, wie es ihr gerade zufiel oder gar zuwehte, Reste, Packpapier, Tüten;”

Vietnam

Immer, wenn sie von Leid und Elend anderer Menschen erfuhr, verarbeitete sie die Eindrücke in Bildern oder Plastiken – so entstanden Bilder über den Hunger in Biafra, über politisch Verfolgte in Chile und den Vietnamkrieg.

Aussatz

Tisa von der Schulenburg zeichnete ihre Interpretation der Kriege der Neuzeit in Biafra, Vietnam oder im Nahen Osten. Lepra-Kranke in Äthiopien, Kinder in den Slums dieser Welt, Hungernde und Verhungerte – Menschen in großer Not.

“Mit der Rohrfeder umreißt, entblößt sie Figuren, die vereinzelt, suggestiv oder in großen Gruppen häufig gesichtslos auftauchen. Doch gerade solche Menschengruppen besitzen starke Anziehung, reihen den Betrachter beispielsweise ein in den Zug der verfolgten Juden, stellen ihn zwischen die gefangenen Patrioten im Stadion von Chile, unter die Wartenden auf dem Arbeitsamt oder mitten hinein in die demonstrierenden Südamerikaner. Diese Künstlerin steht eng an der Seite der Entrechteten und so gleichen Zeichnungen oder Plastiken Protesten, deren stille Eindringlichkeit kompromißlos ist und der Würde des Menschen verpflichtet bleiben.“

 

Hela Baudis
Profil

Tisa von der Schulenburg

 

“Tu Deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind.”

 

Elisabeth Karoline Mary Margarete Veronika Gräfin von der Schulenburg wurde am 7. Dezember 1903 in Boblitz Tressow geboren. Die Tochter eines preußischen Generals verbrachte bereits ihre Kindheit in London, Potsdam, Berlin und Münster. Ihr weiteres Leben und ihre künstlerischen Werke wurden schon früh von Veränderung und Neuanfang geprägt. Antrieb und Motivation für ihr künstlerisches Schaffen gewann Tisa von der Schulenburg stets aus eigenen Erlebnissen und einem hohen Maß an Solidarität – unter anderem mit den Bergleuten der Region und des Dorstener Bergwerks Fürst Leopold, dem heutigen Hauptsitz der Tisa von der Schulenburg-Stiftung.

“Der augenfällige Gegensatz. Tiefschwarze Tuschestriche auf weißem oder leicht getöntem Papier. Scharf abgegrenzte Linien, welche die zuvor makellos reine Fläche kerben, wie Striemen auf einst unversehrter Haut. Gemarterten, wunden Körpern gleich erscheinen manche Zeichnungen: lautlose Schreie namenloser Qual. Ein schmerzhaft harter Kontrast, den Tisa der Bambusrohrfeder, mit der sie zeichnet, abgerungen hat.”

 

Thomas Ostendorf